CRAFT OF CREATION | Mistovia

Er möchte sich nicht von Definitionen einschränken lassen. Er meidet feste Schemata und betrachtet jedes Projekt als ein neues Erlebnis. In der Arbeit von Marcin Czopek, dem Gründer des Studios Mistovia, spielt der Dialog eine zentrale Rolle – mit dem Menschen, dem Ort und dem Material. Er denkt in Formen und schätzt es, wenn die Funktion auf natürliche Weise aus ihnen hervorgeht – nicht umgekehrt. Er betont die Bedeutung von Neugier und kreativem Experimentieren, überzeugt davon, dass mutige Konzepte immer Bestand haben und dass Ästhetik die natürliche Folge eines Prozesses ist, der mit einer Idee beginnt und in einer Emotion endet. Im Gespräch mit OMNIRES erzählt er von seinen Anfängen, seinen Inspirationen und davon, dass Gestaltung für ihn eine ständige Suche nach Lösungen und ein Dialog mit der Wirklichkeit ist.

 

Fotos und Videos: ZASOBY STUDIO  |  Gespräch: Redaktionsteam von OMNIRES

BEVOR DIE FORM GESTALT ANNIMMT

Er schätzt die Anfänge am meisten – jene Momente, in denen noch alles offen ist und sich Ideen gerade erst zu formen beginnen. Für Marcin liegt das Wesentliche in den ersten Skizzen und Gesprächen, die helfen, den Menschen zu verstehen, für den er entwirft – seine Bedürfnisse, seinen Rhythmus, seine Denkweise. Er ist überzeugt, dass ein Innenraum aus dem Kontext heraus entstehen sollte: aus dem Geist des Ortes, der Geschichte des Gebäudes oder der Persönlichkeit des Bewohners. Die Ästhetik folgt erst später – als natürliche Konsequenz des Prozesses, nicht als dessen Ausgangspunkt.

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Wie hat deine Leidenschaft für Design begonnen?

Alles begann mit der Kunst. Schon als Kind habe ich unermüdlich gezeichnet und gemalt. Mein Traum war es, Malerei an der Kunstakademie zu studieren, doch das Leben führte mich auf einen anderen Weg – in eine Kunstschule mit Schwerpunkt Innenarchitektur und später an die Universität. Es war eine natürliche Entwicklung: aus dem Drang, etwas zu schaffen, wurde die Faszination, Räume zu gestalten. Als ich anfing, war Innenarchitektur noch wenig bekannt. Die meisten meiner Kommilitonen wählten klassische Architektur oder Städtebau. Mich faszinierte das, was im Inneren passiert – die Atmosphäre eines Ortes, seine Proportionen, das Licht. Wie Räume Geschichten erzählen können.


Wir sind heute auf der Baustelle eines deiner Projekte. Warum gerade hier?

Ich wollte zeigen, wie meine Arbeit wirklich aussieht. Gestaltung entsteht nicht nur auf dem Bildschirm – sie wird im Raum, im Licht, in der Materie geboren. Hier gewinnen Ideen Gewicht, Geruch und Struktur. Hier formt das Licht die Formen, und der Schatten verleiht ihnen Bedeutung. Auf der Baustelle hört das Projekt auf, eine Zeichnung zu sein – es wird zu einer Erfahrung, die auf die umgebende Realität reagiert.

 

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Welche Emotionen möchtest du mit deinen Projekten wecken?

Authentizität, Ruhe und Neugier. Ich habe festgestellt, dass in einer Welt, die von sich wiederholenden Bildern in den sozialen Medien übersättigt ist, alles gleich auszusehen beginnt. Deshalb bleiben Aufrichtigkeit und Emotionen der einzig wahre Weg. Meine Innenräume sollen Kreativität und Nachdenklichkeit wecken – sie sollen dazu einladen, innezuhalten und den Raum aus einer etwas anderen Perspektive zu betrachten.


Wie sieht dein Gestaltungsprozess aus?

Ich beginne immer mit einem Gespräch. Das Wichtigste ist, den Menschen kennenzulernen, für den ich gestalte – seine Bedürfnisse, seinen Lebensstil, seine Denkweise. Diese Phase ähnelt oft der Arbeit eines Psychologen: Es geht darum, wirklich in die Welt des anderen einzutauchen. Wenn eine gemeinsame Vision entsteht, entwickelt sich daraus eine Idee – ein entscheidender Moment, der hilft, den weiteren Prozess zu erklären. Die Ästhetik folgt später; sie ist das natürliche Ergebnis dieses Weges. Ich beginne mit Formen – ich schaffe geometrische Strukturen und ordne ihnen Funktionen zu. Am Ende kommen die Details – Texturen, Farben, Licht – die das Ganze vollenden und dem Raum seinen endgültigen Ausdruck verleihen.

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Materialien und Texturen spielen in deinen Projekten eine zentrale Rolle. Wie gehst du mit ihnen um?

Das ist für mich eine der faszinierendsten Phasen des Prozesses. Das Testen der Materialien findet meist direkt vor Ort statt. Ich bringe Muster auf die Baustelle, um zu sehen, wie sie auf Licht reagieren – wie sich ihre Töne verändern und wie sie mit der Umgebung interagieren. Jedes Material hat sein eigenes Leben – es ist eine Art „Probe im Licht“. Zunächst ordne ich sie zu einem Moodboard, aber die endgültigen Entscheidungen treffe ich immer vor Ort. Nur im physischen Kontakt spürt man die Energie und Textur der Materialien. Erst dann versteht man wirklich, wie ein Innenraum auf die Sinne wirken wird.

 

Welche Materialien faszinieren dich am meisten?

Ich habe eine besondere Vorliebe für natürliche Materialien – Holz, Stein, Glas und Stoffe. Mich fasziniert die Geschichte, die sie in sich tragen. Furnier zum Beispiel kann durch seine unregelmäßige Maserung von der „Krankheit“ eines Baumes erzählen – diese Unvollkommenheiten haben Seele. Ich experimentiere gerne mit Farbe, Textur und Oberfläche. Glas interessiert mich besonders – seine Struktur, seine Fähigkeit, Licht zu brechen. Mich faszinieren Fusing, Glasmalerei und die feinen Übergänge in gewebten Stoffen. Ich arbeite eng mit lokalen Handwerkern und Künstlern zusammen und überführe ihre Kreativität in meine Projekte. All das ist für mich ein unendliches Feld der Entdeckung und Inspiration.

EINE REISE DURCH FORM UND MATERIAL

Der Entwurfsprozess von Marcin ist eine achtsame Reise – von den ersten Gesprächen über die skulpturalen Skizzen bis hin zur Auswahl von Materialien und Details, die durch Licht und Berührung zum Leben erwachen. Er liebt es, mit Materialien zu experimentieren und zu entdecken, wie ihre Kombinationen die Atmosphäre eines Raumes verändern können. Er sucht nach Strukturen, die das sinnliche Erleben vertiefen – wie die diamantgeschliffenen Oberflächen der Armaturen aus der Kollektion CONTOUR. In Zusammenarbeit mit lokalen Handwerkern und Künstlern überträgt er deren Sensibilität und handwerkliches Können auf seine eigenen Projekte. So wird jedes Interieur zu einem Experiment, einem Dialog und einem Werk – einzigartig in Form und Funktion.

Wenn ich ein Interieur gestalte, denke ich nicht in Kategorien wie Wand, Boden oder Decke – ich denke in Formen. Das Volumen, das ich entwerfe, wird später oft selbst zu einem Möbelstück. Ich mag es, wenn sich die Funktion aus der Form ergibt – und nicht umgekehrt.

Im Herbst eröffnet im Warschauer Stadtteil Powiśle ein OMNIRES-Showroom, der nicht nur das Portfolio der Marke präsentiert, sondern auch originelle Materialkompositionen charismatischer polnischer Innenarchitekten – darunter Marcin Czopek vom Studio Mistovia. Sein Materialboard spiegelt die Suche nach Bedeutung und Emotion wider, die in Texturen und Farben verwoben sind, und offenbart die Sensibilität sowie den unverwechselbaren ästhetischen Ausdruck des Designers. Als Einladung zur Reflexion konzipiert, wird es zu einer Quelle der Inspiration – einer Komposition aus Emotionen und Erzählungen, die zur persönlichen Interpretation anregt. Die sorgfältig ausgewählten Materialien eröffnen Raum für Kreativität und Entdeckung und vermitteln einen Einblick in den schöpferischen Prozess – eine Erzählung, die inspiriert und zur individuellen Gestaltung ermutigt.